Autonome Schiffe: Alle Mann von Bord

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Autonome Schiffe: Alle Mann von Bord

In Norwegen erfolgen Tests mit Fähren, die vom Computer kontrolliert werden.

2,4 Kilometer liegen zwischen der Anlegestelle in Anda und dem gegenüberliegenden Ufer im Städtchen Lote. Wenn alles nach Plan läuft, wird die Fähre MM 103 FE EL im Januar 2018 auf dieser Strecke Geschichte schreiben: Die Fahrt über den Innvikfjord an der Westküste Norwegens markiert den ersten Meilenstein auf dem Weg zum autonomen Schiff. Sobald alle Fahrzeuge und Passagiere an Bord der gut 100 Meter langen Fähre sein werden, wird der Kapitän den Bordcomputer starten. Von da an wird die Fahrt fast automatisch ablaufen. Dazu zählt es zu beschleunigen, die Route zu finden und die Geschwindigkeit zu halten.

Nur beim Anlegen braucht das “Automatic Crossing System” noch menschliche Unterstützung. Sollte der Kapitän nicht rechtzeitig vor der Kaimauer übernehmen, stoppt das Schiff und hält eine sichere Position. Sonst greift der Kapitän nur ein, wenn etwas Unvorhergesehenes die Route kreuzen sollte. “Unsere Automatik spart Zeit, Antriebsenergie und macht Schiffe sicherer. Fast 90 Prozent aller Unfälle werden durch menschliches Versagen verursacht”, sagt Oskar Levander, Vizepräsident Innovation von Rolls-Royce Marine. Für den finnischen Schiffbauingenieur ist die automatische Steuerung der Fähre eine Zwischenstation: “Autonome Schiffe werden bald die Schifffahrt komplett verändern.”

“Für kleinere Schiffe gehen wir wegen der wegfallenden Technik für die Mannschaft und die Brücke von 10 bis 15 Prozent Ersparnis bei den Treibstoffkosten aus”, sagt Levander. Bei größeren Schiffen sei noch mehr drin. Die Treibstoffkosten, die den Löwenanteil der Schiffsbetriebskosten ausmachen, sind damit Hauptgrund für diese Entwicklung. Der Rolls-Royce-Mann sieht die ersten Schiffe, die zumindest bestimmte Strecken autonom zurücklegen können, bereits 2020 in kommerzieller Nutzung.

Die benötigten Sensoren sind vorhanden: Mit einer 65 Meter langen, mit Radar, Lidar und Kameras bestückten Fähre konnte Rolls-Royce bereits in Finnland zeigen, dass die Datenqualität für ein stimmiges Gesamtbild der Umgebung ausreicht. Die Steuerung übernahmen in diesem Fall allerdings noch Menschen und lenkten die Fähre von der Küste aus.

Damit aber die Technik wirklich selbstständig steuern kann, müsste die Reaktion auf jede erdenkliche Situation programmiert und getestet werden. “Bis ein Schiff wirklich autonom fahren kann, werden wohl noch 15 oder mehr Jahre vergehen”, schätzt Hans-Christoph Burmeister vom Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen in Hamburg-Harburg. Schwierig sind die viel befahrenen Strecken in den Häfen und aus den Häfen raus. Denkbar wäre, dass für diese Passagen eine Lotsencrew zusteigt “oder Menschen das Schiff von Land aus fernsteuern”, sagt Burmeister, der im Rahmen des EU-Projekts “Maritime Unmanned Navigation Through Intelligence in Networks” ein Konzept für ein autonomes, unbemanntes Schiff entwickelt hat.

Um Containerriesen unbemannt über die Weltmeere fahren zu lassen, sind allerdings nicht nur Fortschritte bei der künstlichen Intelligenz nötig. “Die Technik im Maschinenraum ist noch nicht so zuverlässig, dass man sie komplett ohne Wartung betreiben kann”, sagt Rainer Horn, Pressesprecher der Hamburger Reederei Hapag Lloyd. “Wenn auf hoher See etwas kaputtgeht, muss sich jemand an Bord drum kümmern können.”

Das weiß auch Oskar Levander. Für ihn beginnt die Zukunft daher bei kleinen Fähren oder Frachtern. Die Schiffsklassifikationsgesellschaft DNV GL plant so ein Schiff: Die 60 Meter lange, batteriegetriebene ReVolt soll kleinere Häfen entlang der norwegischen Küste beliefern. Über eine Lebensdauer von 30 Jahren könne so ein Elektroschiff im Vergleich zu heutigen Dieselschiffen rund 34 Millionen US-Dollar an Betriebskosten einsparen, sagt DNV-GL-Forscher Hans Anton Tvete. Der Einsatz in Norwegen hätte den Vorteil, dass ihn das Land in seinem Hoheitsgebiet selbst erlauben könnte. Bislang ist der Betrieb von unbemannten Schiffen in internationalen Gewässern nämlich rechtlich nicht geregelt. Auch hier ist wie bei autonomen Autos die Haftung bei einem Unfall das Problem. (Denis Dilba) / (bsc)

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